Pionierarbeit mit Wasserstoff

Wie integriert man eine neue Technologie in einen bestehenden Rechtsrahmen? Diese Frage kennt wohl jeder, der Elektrolyseure plant – also jene Anlagen, in denen durch Elektrolyse Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten wird. Erste Anlagen sind im Rheinischen Revier genehmigt und befinden sich im Bau. Was lässt sich aus der hier geleisteten Pionierarbeit lernen? Was muss geschehen, um die Verfahren zu beschleunigen? Ein Blick auf die ersten Erfahrungen – aus drei unterschiedlichen Perspektiven.

Der Projektentwickler

Elektrolyseure zu bauen ist in Deutschland noch eine Aufgabe für Pioniere. Dr. David Franzen ist solch ein Pionier. Als Projektleiter der NEA Green GmbH, einer Tochtergesellschaft des Anlagenbauers Neuman & Esser, betreut er das Projekt "H2HS", das unter anderem die Wasserstoffversorgung für den ÖPNV im Kreis Heinsberg sicherstellen soll. Dazu wird eine 2 Megawatt-Elektrolyseanlage errichtet, die circa 200 Tonnen Wasserstoff pro Jahr produziert und noch im Jahr 2025 in Betrieb gehen soll. "Für uns ist das kein Einzelprojekt. Wir begleiten den Wasserstoff-Hochlauf und denken stets daran, wie dieses Konzept aus Heinsberg auf andere Standorte übertragen werden kann", sagt Franzen.

Skepsis überwinden

Eine wesentliche Herausforderung bestand darin, die anfängliche Skepsis beteiligter Partner zu überwinden. "Der Markt entwickelt sich, es gibt noch keine etablierten Prozesse, dadurch passt solch ein Projekt auch nicht in bestehende Risikoschemata", erklärt Franzen. Das erschwerte es beispielsweise, die Banken für die Finanzierung zu gewinnen. Sie forderten Sicherheit in Form einer Genehmigung und konkrete Abnahmegarantien für den Wasserstoff.
Positiv wertet Franzen die Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung. "Dank der Konzentrationswirkung fiel die Genehmigung der gesamten Anlage unter das BImSchG, was den Prozess deutlich vereinfachte." Er empfiehlt daher einen frühzeitigen Austausch mit der Bezirksregierung, um alle erforderlichen Dokumente, Einreichfristen und Details abzuklären. Dazu zählt auch, den Zeitplan mit den Behörden abzustimmen - und dabei nicht nur nach den gesetzlichen Vorgaben zu fragen, sondern auch nach Terminen der Behörden, so dass die Anträge noch rechtzeitig in die entsprechenden Gremien kommen.

Aufwändiges Verfahren

Dennoch: Das Genehmigungsverfahren war aufwändig. “Wir mussten eine vollständig durchgeplante Anlage einreichen. Es ist aber schwierig, einen Hersteller zu bewegen, eine Anlage bis ins Detail durchzuplanen, bevor die Genehmigung da ist.“ Denn das erhöht die Vorleistung, die er erbringen muss - und damit das Risiko. ”Wenn ich am Anfang viel Zeit und Geld in das Verfahren investieren muss, wundert es nicht, wenn in dieser Phase viele Projekte beendet werden. Keiner will Gutachten im sechsstelligen Bereich erstellen, wenn sie dann nicht benötigt werden." Franzen plädiert dafür, dass der Umfang der erforderlichen Gutachten und Unterlagen am Anfang reduziert wird, um so auch die Kosten vor der Finanzierungszusage niedriger zu halten.
Sein Fazit: "Wenn man die Anforderungen an die Detailtiefe der Genehmigungsunterlagen abgleicht mit dem, was in so einer Anlage verwendet wird, machen wir zu viel." Beispiel Wasseraufbereitung und Abwasseranfall: In den meisten Fällen habe das anfallende Abwasser immer noch Trinkwasserqualität, dennoch wird eine Genehmigung für die Einleitung in das Kanalnetz gefordert. Ein anderes Beispiel nennt Dr. Vera Linke-Wienemann, Leiterin des Geschäftsbereichs Umweltschutz der PROBIOTEC GmbH – weyer Gruppe: "Wenn man mehr Erfahrung mit Elektrolyseuren hat, stellt sich die Frage, ob Schallgutachten dann noch erforderlich sind."
Einige Möglichkeiten gibt es allerdings schon heute, das Verfahren zu beschleunigen: So empfahl Franzen, den Erörterungstermin direkt bei Antragsstellung festzulegen. Das spare mindestens zwei Monate – und der Termin könne leicht abgesagt werden, wenn er nicht nötig ist. Empfehlenswert ist auch eine Vorab-Einsicht in die § 8a BImSchG, um sicherzustellen, dass sie mit den Anforderungen des Kreditgebers zusammenpasst.

Der Experte in der Verwaltung

Axel Heinzkill arbeitet genau da, wo die Innovation auf den bestehenden Rechtsrahmen trifft: in der Bezirksregierung Köln im Dezernat 53, das für den Immissionsschutz und damit auch für die Genehmigung von Elektrolyseuren zuständig ist. Er kennt die Herausforderungen und hilft den Projektentwicklern, den Genehmigungsprozess so gut wie möglich zu durchlaufen.
Bis November 2024 fiel ein Elektrolyseur unter die Ziffer 4.1.12 der vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (4. BImSchV). Für sie galt damit das gleiche Genehmigungsverfahren wie für chemische Anlagen, in denen Stoffe wie Ammoniak, Chlor oder Schwefelverbindungen verarbeitet werden. “Alle waren sich einig, dass das für die Elektrolyse von Wasser keinen Sinn macht”, sagt Heinzkill. Seit dem 16. November 2024 ist die geänderte 4. BImSchV in Kraft und Elektrolyseure sind nun der Ziffer 10.26 zugeordnet. Danach gilt:
  • Bei Elektrolyseuren mit einer Produktionskapazität von 50 Tonnen Wasserstoff oder mehr pro Tag handelt es sich um eine Anlage gemäß der Industrieemissionsrichtlinie und es muss ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG erfolgen.
  • Bei Elektrolyseuren mit einer elektrischen Nennleistung ab 5 MW, die nicht die Produktionskapazität von 50 Tonnen pro Tag erreichen, ist ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG erforderlich.
  • Für kleinere Anlagen unter 5 MW ist nur noch ein Baugenehmigungsverfahren durchzuführen.
Allerdings ist in NRW mit der Anpassung der 4. BImSchV auch die immissionsschutzrechtliche Zuständigkeit für Elektrolyseure von den Bezirksregierungen auf die Kreise und kreisfreien Städte gewechselt – zumindest vorerst. Eine Zuständigkeitsänderung wieder zurück zu den Bezirksregierungen ist bereits in Arbeit.
Zu genehmigen sind auch Nebenanlagen, wie sie zum Beispiel für die Lagerung von Wasserstoff nötig sein können. Immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig sind Anlagen ab 3 Tonnen Lagerung, ab 30 Tonnen ist ein förmliches Verfahren nach § 10 BImSchG erforderlich.
Als großen Vorteil im BImSchG-Verfahren wertet Heinzkill die sogenannte Konzentrationswirkung. Sie bedeutet, dass in der Genehmigung viele Einzelgenehmigungen einbezogen sind und die Bezirksregierung das Verfahren koordiniert.

Hohen Wasserverbrauch berücksichtigen

Als wichtige Themen im Rahmen der Genehmigung von Elektrolyseuren haben sich Brand- und Explosionsschutz erwiesen (Wasserstoff und Sauerstoff) sowie der hohe Wasserverbrauch. Auch Dr. Vera Linke-Wienemann weist auf das Thema Wasser hin: "Ein kritisches Thema für die Genehmigung von Elektrolyseuren könnte das Wasser sein. Bei Wasserknappheit haben Elektrolyseure gegenüber der öffentlichen Trinkwasserversorgung das Nachsehen."

Elektrische Leistung großzügig beantragen

Da die Leistung der Elektrolyse-Stacks – also jenes zentralen Teils der Anlage, in dem Wasser in Wasser- und Sauerstoff gespalten wird – im Laufe der Zeit abnimmt, muss die Leistung mit der Laufzeit (bis zum Ersatz der Stacks) erhöht werden. Hier empfiehlt Heinzkill dies bei der Genehmigungsbeantragung durch eine entsprechend ausreichende Leistung bereits zu berücksichtigen, damit der Betreiber nachher nicht gegen die Genehmigung verstößt. Anlagen mit einer Leistung über 5 MW fallen unter das Treibhaus-Emissionshandelsgesetz (TEHG). Hier muss eine Genehmigung gemäß TEHG ausgesprochen werden, wobei es sich beim Elektrolyseur um eine Null-Emissionsanlage handelt.

Der Anwalt

Wie lassen sich die Genehmigungsverfahren für Elektrolyseure beschleunigen? Die Antwort von Dr. Johannes Schulte, Rechtsanwalt und Partner der Wirtschaftskanzlei Kümmerlein, ist klar: "Geltende rechtliche Vorgaben müssen eingehalten werden. Aber es gibt Möglichkeiten, innerhalb des bestehenden rechtlichen Rahmens die Genehmigungsverfahren deutlich zu beschleunigen". Welche sind das?
Einsatz von Projektmanagern: Nach Einschätzung von Johannes Schulte sind die Behörden in der Regel fachlich gut aufgestellt, aber sie stehen unter einem sehr hohen Zeitdruck. Denn es gibt zu viele Anträge, für die nicht genügend Mitarbeitende zur Verfügung stehen. Es ist im Genehmigungsverfahren möglich, auf Antrag oder mit Zustimmung des antragstellenden Unternehmens einen sogenannten Projektmanager einzubinden, der als Helfer die Verwaltung unterstützt. Das Beauftragungsverhältnis besteht zwischen Projektmanager und Behörde. Die Kosten der Beauftragung trägt das Unternehmen. Als Projektmanager kommen etwa Planungs- bzw. Gutachterbüros oder eben Rechtsanwaltskanzleien in Betracht. Der Projektmanager kann beispielsweise Verfahrensleitpläne erstellen, die Einhaltung von Fristen kontrollieren, Sachverständigengutachten koordinieren oder den Entwurf der Planfeststellungs- / Genehmigungsentscheidung vorbereiten. "Die Behörde bleibt Herrin des Verfahrens; sie entscheidet. Aber bei der Verfahrensdurchführung und Entscheidungsvorbereitung kann der Projektmanager die Verwaltung umfassend unterstützen und so das Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigen", erläuterte Schulte.
Qualität der Antragsunterlagen: "Eine frühzeitige Abstimmung mit der Bezirksregierung und gute Antragsunterlagen sind der schnellste Weg für eine Genehmigung", sagt Dr. Vera Linke-Wienemann. Wenn die Antragsunterlagen zu Nachfragen führen, bedeutet dies automatisch eine Verzögerung, die ganz schnell in die Wochen oder gar Monate gehen kann.
Linke-Wienemann: "Die frühzeitige Abstimmung hilft dabei, genau das in den Antragsunterlagen zu liefern, was die Behörde benötigt." Auch Schulte unterstreicht, dass es für antragstellende Unternehmen äußerst wichtig sei, im Genehmigungsverfahren gute Antragsunterlagen vorzulegen, die keine vermeidbaren Angriffsflächen bieten. Sie sollten daher hinreichend aktuell, sachlich zutreffend und widerspruchsfrei sein. Seine Empfehlung: "Beauftragen Sie frühzeitig gute Planungs- und Gutachterbüros. Es ist besser, dort Geld zu investieren, als dass die Unterlagen Defizite aufweisen und später nach langwierigen Überprüfungen durch die Behörde überarbeitet werden müssen."
Fakultative Planfeststellung: Das Gesetz gibt die Möglichkeit, auf Antrag des Trägers des Vorhabens die Errichtung, den Betrieb sowie die Änderung von Energiekopplungsanlagen sowie von Großspeicheranlagen mit einer Nennleistung ab 50 MW durch Planfeststellung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde zuzulassen (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 EnWG). Die Vorteile:
  • keine aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen Dritter
  • Duldungspflicht von Flächeneigentümern/-nutzern bezüglich Vorarbeiten
  • vorzeitige Besitzeinweisung und Zulassung vorzeitigen Baubeginns
  • enteignungsrechtliche Vorwirkung.
Bauleitplanung: Es gibt die Möglichkeit, Elektrolyseurvorhaben im beplanten Innenbereich umzusetzen (§ 14 Abs. 4 BauNVO). Dies ermöglicht die Errichtung von Elektrolyseuren in bauplanerisch ausgewiesenen Sondergebieten für PV-Anlagen oder Gewerbe-/Industriegebieten mit "dienender" Funktion für die Nutzung von Solarenergie. Auch im Außenbereich gibt es rechtliche Möglichkeiten für eine Erleichterung der Genehmigungserteilung (§ 249a BauGB), so zum Beispiel bei räumlich-funktionalem Zusammenhang mit Windenergievorhaben oder PV-Freiflächenanlagen.
Spezifische Beschleunigungsregelungen für die BImSchG-Genehmigung: In Genehmigungsverfahren für Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien ist nach geltender Rechtslage eine Verlängerung der Stellungnahmefrist für die zu beteiligenden Fachbehörden ausgeschlossen. Ebenso soll im Regelfall auf den Erörterungstermin verzichtet werden.
Mit einigen dieser Ansätze können laut Schulte die Verfahren schon deutlich beschleunigt werden. Zudem sind in den kommenden Monaten weitere gesetzliche Verfahrenserleichterungen zu erwarten. So sieht die derzeit im nationalen Recht noch nicht vollständig umgesetzte RED-III-Richtlinie der Europäischen Union vor, dass Umweltprüfungen in ausgewiesenen Beschleunigungsgebieten für erneuerbare Energien auf vorgelagerten Planungsebenen durchgeführt werden und sodann in sich hieran anschließenden Genehmigungsverfahren nicht mehr erforderlich sind. Dies könnte auch für Elektrolyseure, die zur Herstellung von Wasserstoff erneuerbare Energien nutzen, gelten. Auch die durch die Europäische Union erlassene Netto-Null-Industrie-Verordnung sieht vor, die Genehmigungsverfahren für Produktionsstätten zur Herstellung von Elektrolyseuren zu beschleunigen.

Sauber arbeiten, um für Klagen gewappnet zu sein

Bei allem Verständnis für den Wunsch nach Beschleunigung warnt Schulte davor, Abstriche bei den geltenden Regulierungen außerhalb des vorgegebenen Rahmens zu machen: “Wie das Beispiel Windenergie zeigt, können auch Genehmigungen von Wasserstoffprojekten von anerkannten Umweltverbänden gerichtlich angefochten werden. Daher ist es wichtig, im Genehmigungsverfahren sauber zu arbeiten.”