Freiflächen-Photovoltaik
"Beim Ausbau der Freiflächen-Photovoltaik nehmen Kommunen eine Schlüsselrolle ein." Das betont Bettina Cebulla-Conrad vom Referat Erneuerbare Energien im Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW (MWIKE). Der Grund dafür ist naheliegend: Für Freiflächen-Photovoltaikanlagen (FF-PV) im Außenbereich ist eine kommunale Bauleitplanung erforderlich. Dadurch kann die Kommune gezielt Einfluss darauf nehmen, wie die Anlagen umgesetzt werden. Eine herausragende Rolle spielen hierbei besonders die Kommunen im ländlichen Raum, da hier großes Flächen-Potenzial besteht.
- Welche Vorteile gibt es für die Kommunen?
- Brauchen wir Photovoltaik auf Freiflächen?
- Kann sich ein dicht bevölkertes Land wie NRW Freiflächen-PV leisten?
- Wie unterstützt das Land NRW den Ausbau?
- Kriterienkatalog schafft schnelle und flexible Planungsgrundlage
- Welche Anforderungen bestehen an einen Kriterienkatalog?
- Wie erfolgt die Flächenauswahl?
- Welche Kriterien sollten nicht in den Katalog aufgenommen werden?
- Was ist die grundsätzliche Empfehlung?
Welche Vorteile gibt es für die Kommunen?
Photovoltaik-Anlagen lassen sich mittlerweile sehr kostengünstig errichten, besonders, wenn die Anlagen groß sind. Sie erzielen eine hohe Leistung bei relativ geringem Flächenbedarf, insbesondere im Vergleich mit den Flächen, die für Energiepflanzen-Anbau nötig sind.
"Kommunen können durch Freiflächen-Photovoltaik ihren Standort stärken", betont Bettina Cebulla-Conrad. Die Gründe dafür sind vielfältig, wie zum Beispiel:
- Der durch die Anlagen erzeugte Strom ist kostengünstig. Das schafft einen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen und kann Arbeitsplätze sichern oder schaffen.
- Die Kommunen können zusätzliche Einnahmen generieren, da sie mit 0,2 Euro pro Kilowattstunde (kWh) am Ertrag beteiligt werden können. Das können je nach Sonneneinstrahlung und Modultechnologie 2000 Euro pro Hektar sein.
- Die Flächen können sich regenerieren. Das ist insbesondere dann von Vorteil, wenn sie vorher intensiv landwirtschaftlich genutzt wurden. Parallel sind auf diesen Flächen Biodiversitätsmaßnahmen möglich, was zu weiteren ökologischen Vorteilen führen kann. Da die Flächen für die PV-Anlagen nicht großflächig versiegelt werden müssen, können sie nach Rückbau der Anlage zügig wieder anderweitig genutzt werden.
Brauchen wir Photovoltaik auf Freiflächen?
In der Energie und Wärmestrategie (EWS) des Landes NRW ist festgelegt: "NRW wird als Energie- und Industrieland im Rahmen seiner nachhaltigen Transformation zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben und einen substanziellen und überdurchschnittlichen Beitrag zur Erreichung der gesetzlichen Ausbauziele auf Bundesebene leisten." Die Herausforderung ist groß: Bis zum Jahr 2030 sollen in Deutschland 215 GW Photovoltaik installiert sein. Anfang 2025 wurde bundesweit die historische Marke von 100 GW bereits überschritten. Der NRW-Anteil am bundesweiten Leistungszubau betrug von 2000 bis 2022 durchschnittlich 11 Prozent, 2023 lag er sogar bei 15 Prozent und 2024 bei 13 Prozent.
"Wir benötigen auch den Ausbau in der Freifläche. Bei Dachflächen ist bereits vieles belegt. Außerdem ist der Dachflächenausbau in der Regel teurer", unterstreicht Bettina Cebulla-Conrad. Ende 2024 lag die installierte Leistung in NRW für die Photovoltaik insgesamt bei 11.942 Megawatt (MW), Ende 2030 soll sie laut EWS mindestens 21.000 MW betragen, idealerweise 27.000 MW. Lediglich 6 Prozent des Ausbaus entfielen in 2024 auf die Freifläche.
Kann sich ein dicht bevölkertes Land wie NRW Freiflächen-PV leisten?
Vor dem Hintergrund der Flächenkonkurrenz in NRW stellt sich die Frage, ob die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für FF-PV sinnvoll ist. In den Jahren 2022 und 2023 kamen bei Freiflächenprojekten 25 Prozent der genutzten Flächen aus der Landwirtschaft, während Gewerbe- und Industrieflächen mit 30 Prozent den größten Anteil ausmachten. An dritter Stelle lagen Deponien und Halden mit 20 Prozent. Hochgerechnet auf einen Ausbau von bis zu 27 Gigawatt (GW) im Jahr 2030 und mit sehr hoch angesetzten beispielhaften Parametern (Zubau von 50 Prozent auf der Freifläche und davon 50 Prozent Zubau auf landwirtschaftlicher Fläche) würde dies bedeuten, dass maximal 0,24 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Flächen in NRW für Freiflächen-PV benötigt würden.
Wie unterstützt das Land NRW den Ausbau?
NRW unterstützt den Ausbau der FF-PV auf unterschiedlichen Ebenen:
- Das Land arbeitet kontinuierlich daran, die rechtlichen Rahmenbedingungen weiter zu verbessern - sowohl auf Bundesebene über den Bundesrat als auch auf Landesebene. So wurde z.B. bei der jüngsten Änderung des Landesentwicklungsplans (LEP) NRW im April 2024 die Flächenkulisse für Freiflächen-PV-Anlagen weitgehend geöffnet, um den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter voranzutreiben. Dabei wurden raumordnungsrechtliche Vorgaben so angepasst, dass Regional- und Bauleitplanung im Freiraum nun grundsätzlich möglich ist.
- Landwirtschaftliche Flächen werden dabei geschützt, da auf hochwertigen Ackerböden (mit mehr als 55 Bodenpunkten) nur Agri-Photovoltaik möglich ist. Gleiches gilt im Grundsatz auch für landwirtschaftliche Kernräume und vergleichbare Flächen. Daneben wurden Gunstflächen definiert, auf denen Photovoltaik vorrangig realisiert werden sollte – etwa Flächen auf Deponien oder entlang Straßen oder Schienen.
- Das Land hat das Solarkataster NRW überarbeitet und erweitert. In diesem können nun auch die Flächenkulisse des neuen LEP und die aktuelle EEG-Förderkulisse angezeigt werden. Daneben können über die neue Karte potenziell für Freiflächen-PV geeignete Flächen aufgerufen werden. Ein in diese Karte integrierter Ertragsrechner ermöglicht eine rasche Abschätzung der Wirtschaftlichkeit.
- Mit der Kampagne "Freiflächen-Photovoltaik in NRW" unterstützen NRW.Energy4Climate und das MWIKE den Ausbau der Freiflächen-PV in NRW und bieten darin zahlreiche Informations- und Weiterbildungsangebote.
- Weiterführende Links:
- Leitfaden für Kommunen: PV-Freiflächenanlagen
- Runderlass zu §2 EEG
Kriterienkatalog schafft schnelle und flexible Planungsgrundlage
Wie kann sich eine Kommune bestmöglich auf Investoren vorbereiten, die in ihrem Gebiet eine Freiflächen-Photovoltaikanlage (FF-PV) errichten wollen und eine schnelle Entscheidung erwarten? Als ideales Mittel dafür bietet sich ein Kriterienkatalog an. "Ein Kriterienkatalog ist ein sehr flexibles Instrument, er stellt eine Zwischenstufe zwischen dem Flächennutzungsplan und dem Bebauungsplan dar", sagt Josefine Wilke. Sie arbeitet als Anwältin bei Dombert Rechtsanwälte und ist Spezialistin für die Planung und Genehmigung von FF-PV.
Ein Kriterienkatalog ist Bestandteil einer informellen städtebaulichen Planung. Er ermöglicht es den Kommunen, eine klare Richtung vorzugeben. Bei der Aufstellung von anderen Bauleitplänen muss er berücksichtigt werden, hat aber keine unmittelbare rechtliche Bindung - die Kommune kann von seinen Vorgaben abweichen, sofern dies fachlich begründet ist. Im Rheinischen Revier haben unter anderem die Gemeinden Titz, Hürtgenwald, Bedburg, Dormagen und Kreuzau solch einen Kriterienkatalog erstellt oder befinden sich in diesem Prozess.
Welche Anforderungen bestehen an einen Kriterienkatalog?
Formelle und inhaltliche Anforderungen an die Kriterienkataloge sind gesetzlich nicht geregelt. Die Unsicherheit hinsichtlich geeigneter und zulässiger Festlegungen ist daher groß. Josefine Wilke hat zusammen mit ihrem Kollegen Tobias Roß zwei praxistaugliche Arbeitshilfen erstellt, die auf der Seite von Energy4Climate verfügbar sind. Dabei wurden zahlreiche bereits entwickelte Kataloge auf wiederkehrende Kriterien überprüft.
Zur besseren Übersicht wurden die Kriterien in verschiedenen Kategorien unterteilt:
Zur besseren Übersicht wurden die Kriterien in verschiedenen Kategorien unterteilt:
- Kriterien zur Standortwahl:
- Gunstkriterien: Danach sind Flächen rechtlich und tatsächlich als Standort für FF-PVA geeignet.
- Abwägungskriterien: Sie schließen Flächen rechtlich nicht grundsätzlich als Standort für FF-PVA aus, müssen aber im Einzelfall geprüft werden.
- Ausschlusskriterien: Sie schließen Flächen rechtlich als Standort aus.
- Kriterien, die sich an Vorhabenträger richten:
- Geeignete Kriterien: Gegen sie bestehen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine Bedenken.
- Ungeeignete Kriterien: Sie sollten aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht festgelegt werden.
- Unzulässige Kriterien: Diese verstoßen gegen rechtliche Vorgaben.
Allerdings muss stets der Einzelfall geprüft werden. So kann beispielsweise eine Fläche, die aufgrund eines Gunstkriteriums (etwa die Nachbarschaft zu einem Gewerbegebiet) zunächst als geeignet erscheint, in der Bewertung negativ ausfallen, wenn sie zugleich in einem Landschaftsschutzgebiet liegt.
Wie erfolgt die Flächenauswahl?
Für die Bestimmung möglicher Gebiete empfiehlt Wilke, den gesamten Außenbereich der Kommune unter Berücksichtigung der standortbezogenen Kriterien zu analysieren. Mithilfe der Ausschlusskriterien lassen sich Bereiche definieren, die nicht in Frage kommen. Für die verbleibenden Flächen muss differenziert geprüft werden, wo eine Abwägung erforderlich ist und welche Flächen in Betracht kommen. Maßgeblich sind dabei alle raumordnungsrechtlichen Vorgaben, bestehende Schutzgebiete sowie praktische Aspekte wie die Chance auf EEG-Vergütung oder technische Anforderungen.
Welche Kriterien sollten nicht in den Katalog aufgenommen werden?
Wilke warnt vor Kriterien, die eine finanzielle Gewinnbeteiligung für die Kommune vorsehen, da sie keinen Bezug zur Bodennutzung und zu städtebaulichen Erfordernissen beinhalten. Das unterscheidet die Planung von FF-PV auch von Windenergieprojekten. Ebenso sind Kriterien, die den Netzanschluss betreffen, ungeeignet - aus rechtlichen Gründen könnten Netzbetreiber kaum noch Netzanschlüsse reservieren.
Was ist die grundsätzliche Empfehlung?
"Wagen Sie sich an das Thema und wählen Sie die Kriterien sorgfältig aus", rät Wilke. Dabei gelte: "Weniger ist manchmal mehr". Denn je mehr Kriterien eine Kommune definiert, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass nicht alle erfüllt werden können. Abweichungen müssten jedoch umfassend begründet werden. "Konzentrieren Sie sich auf die Punkte, die für Ihre Kommune maßgeblich sind."
- Mehr Infos zu den Kriterienkatalogen finden Sie in der Publikation "Freiflächen PV: Arbeitshilfe räumliche Steuerung" auf der Seite von Energy4Climate.
